Der alte Mann und sein Hund.

Was also musste geschehen, dass ich meinen lang gehegten Wunsch, einen Blog zu schreiben, endlich in die Tat umsetze. Ich erzähle es Euch.

Auf meiner Joggingstrecke begegnet mir seit etlichen Jahren der gleiche Mann, der mit seinem Hund spazieren geht. Wir nicken uns stets freundlich zu, wenn sich unsere Wege kreuzen. Man sagt ja gemeinhin, dass sich Hundehalter und Hund ähnlich sehen. In diesem Fall stimmt dieses Klischee voll und ganz. Der Mann, etwas unordentlich und meist in grauen und schwarzen Kleidern; die Zähne in keinem guten Zustand. Der Hund, eine Art Schnauzer, ebenfalls mit struppigem grau-schwarzem Fell.

Nun passierte es, dass der alte Mann ohne Hund spazieren ging, was mich sehr erstaunte. Ich blieb stehen und fragte ihn, wo denn sein Hund sei. „Gestorben“, sagte der Mann, „nach dreizehn gemeinsamen Jahren.“ Ob er sich denn keinen neuen anschaffen wolle? „Nein, so einen gibt’s kein zweites Mal.“ Als er mir von sich und dem Hund erzählte, fasste er mir ganz leicht und sachte an meinen Oberarm. Dieser kurze intime Moment berührte mich im Innersten. Es war eine unsagbare Zärtlichkeit in dieser Geste und obwohl der Mann nicht besonders gepflegt war, empfand ich seine Nähe nicht als unangenehm.

Ich fragte mich, als ich dann weiterrannte, warum ich nicht zurückgewichen bin, wie in ähnlichen Situationen, in denen mir jemand zu nahe gekommen ist. Noch dazu, wo ich alleine unterwegs war und der Mann, wie schon gesagt, nicht den Eindruck machte, als ob er dem sozialen Mittelstand angehören würde. Der Unterschied lag wohl darin, dass die Berührung ohne jeden Hintergedanken, ohne jede böse Absicht ausgeführt wurde. Sie galt lediglich dem Zweck, einen Moment menschlicher Nähe herzustellen.

Heute habe ich den alten Mann wieder getroffen. Wie üblich nickten wir uns zu. Er trug eine neue Leine um den Hals und verwundert fragte ich ihn, ob er nun doch wieder einen Hund hätte. Er verstand mich wohl nicht und fragte mich seinerseits, ob ich einen Hund gesehen hätte; weiter vorne vielleicht? Wie der Hund denn aussähe, erkundigte ich mich. Er beschrieb einen grossen schwarzen Schnauzer. Da verstand ich plötzlich, dass er seinen verstorbenen Hund suchte. Sicherheitshalber fragte ich nach, wie alt der Hund denn sei. „Dreizehn Jahre“, entgegnete der Mann.

Es macht mich unendlich traurig, dass dieser alte Mann nach seinem Hund nun auch noch sein Gedächtnis verliert.

Diese Geschichte wollte ich Euch erzählen, und davon dass es möglich ist, dass wir Menschen uns ohne Arg begegnen.

© Regina Hanslmayr, im Oktober 2016